26. Februar, Samstag: Frühling in welcher Welt?
Ein Freund aus dem „Unterland“ schickt mir Fotos mit Winterlingen und Krokussen, damit ich hier in den Schneebergen nicht vergesse, wie der Frühling aussieht. Die Störche seien schon zurückgekehrt, schreibt er.
In Kanada hat Premierminister Trudeau das Notstandsgesetz wieder aufgehoben, nachdem die Polizei brutal gegen die friedlich Demonstrierenden durchgegriffen hat. Er hatte sie als Kriminelle, die obendrein noch die Hakenkreuzfahne schwenken, bezeichnet. Sogar das Parlament hatte er für ein paar Tage ausser Kraft gesetzt. Nun wird ihm vorgeworfen, dass er mit den Truckern noch nicht einmal geredet, sondern auch seine Macht missbraucht habe. Einen Grund für den Ausruf des „Act of Emergency“ hätte es nicht gegeben. Inspiriert von den kanadischen Truckern hat sich in den USA von Kalifornien aus ein „Convoy for Freedom“ in Gang gesetzt. Dieser will am 5. März Washington D.C. erreichen und findet in der Bevölkerung grosse Unterstützung. Es geht schon längst nicht mehr nur um „No Pass – no Vaxx“, sondern grundlegend um die Freiheit und Selbstbestimmung über den eigenen Körper. In einem BBC-Interview sagt Novak Djokovic, dass er lieber auf seine Teilnahme an Tournieren mit Impfpflicht verzichte als sich impfen zu lassen. Er sei immer damit sehr achtsam gewesen, was er in seinen Körper hereinlasse. Da kenne er keinen Kompromiss, auch wenn der Preis sehr hoch sei und er nicht als bester Tennisspieler aller Zeiten in die Geschichte einginge.
Vor dem Hauseingang treffe ich meinen 80-jährigen Nachbarn aus Norddeutschland, der nun 2 Wochen lang in Leukerbad war. Morgen fährt er wieder nach Hause. Ich frage ihn nach der Corona-Situation, denn in Deutschland sind die Massnahmen immer noch in Kraft und werden noch andauern. Er sagt: „Zum Glück!“ Ich wundere mich, warum er Angst hat, denn er hatte mir gesagt, er sei zweimal geimpft und einmal geboostert. Wir Deutsche hätten aber jetzt ein grösseres Problem, meint er, denn wir hätten Krieg. Die Schweiz sei da zwar neutral, aber die russischen Panzer stünden schon vor Kiew. Er erwartet eine massive Geldabwertung und einen Mangel an russischem Gas. Dann könnte er im Winter nur noch ein einziges Zimmer seiner Wohnung heizen. Schliesslich sagt er, an dem allen könnten wir sowieso nichts ändern. Ich denke anders, doch er will meine Meinung gar nicht hören.
Wir können viel mehr als wir meinen. Zum Beispiel für den Frieden beten und auf dem Majdan in Kiew eine Lichtsäule errichten. Vor ein paar Tagen hatte ich Putins Rede zur Kriegserklärung auf Youtube in Simultanübersetzung gehört. Die deutschen Kommentare unter dem Video waren alle positiv. Es sei logisch, was er sage, Russland sei tatsächlich vom Westen bedroht. Ein Freund, der in der Nähe von Berlin wohnt, wird am Sonntag an der dortigen Grossdemo für den Frieden und gegen die Invasion in die Ukraine teilnehmen.
So weit ist es inzwischen mit der Spaltung der Gesellschaft gekommen. Andersdenkende werden als Kriminelle, Nazis, Sektenmitglieder oder Drogensüchtige beschimpft. Sie werden zu Monstern gemacht, gegen die man sich schützen und gewaltsam vorgehen muss. In welcher Welt leben wir?
Foto: Georgs Friedensfeuer
und Text: Petra Dobrovolny