Am 8. Mai dieses Jahres jährte sich das Ende des 2. Weltkriegs zum 80. Mal. Alle Menschen freuten sich, auch in der Schweiz. Die Kirchenglocken läuteten. Schätzungsweise sind 70 Millionen Menschen umgekommen.
Und heute? Es gibt immer noch Kriege. Wann hört dieser Wahnsinn endlich auf? Darum gehe ich regelmässig in die Kirche, bringe meine Klangschalen zum Schwingen und singe „Dona nobis pacem!“
Im Nachlass meines Vaters fand ich folgenden mit Schreibmaschine geschriebenen Text, welchen der Dichter nur mit Sch. unterschrieben hatte. Den ganzen Namen weiss ich nicht mehr. Mein Vater* hatte mir das Gedicht mal gezeigt und gesagt, dass es sein geliebter Deutschlehrer von der Trarbacher Schule geschrieben hätte. Dieser Lehrer hatte den 1. und den 2. Weltkrieg erlebt.
Pfingsthymnus
Pfingsten! Es schwelgt die Natur in lieblichem Blütengewande.
Farbschön jetzt zeigen der Wald, Wiesen und Flur ihre Pracht;
Zwischen Ruinen und Schutt lebt noch immer hoffendes Spriessen,
Selbst der vernichtende Krieg liess uns das Keimen zurück.
Lauscht, wie das Jubeln und Flöten der befiederten Sänger ertönet!
Jubelt nicht jedem ein Gott laut aus der winzigen Brust!
Bienen und Falter und Hummeln und Käfer mit singenden Schwingen
Fühlen ergriffen ihr Glück, geigen ein wundersam Lied,
welches entgegen uns raunt aus dem Flüstern des schleichenden Windes,
Bald aus dem köstlichen Duft, Farben und Klängen voll Lust,
Und sich in seligem Traum berauschet zu flammender Liebe,
Weil die Natur es bestimmt, die sich durch Liebe erhält.
Wohin wir wandern und schauen mit offenen Herzen und Augen,
Alles belebt wie ein Trunk, quillend aus ewigem Born;
Nimmer versiegt, trotz entsetzlichem Grauen der furchtbaren Zeiten,
Wem tief im Busen sein Gott, ewiges Pfingsten verleiht,
Das uns aufs Neue erfüllt mit Begeisterung liebender Jugend,
Schöpferisch segnend den Geist, der uns beflügelt zur Tat.
Kriegspfingsten 1944 Sch.
*Mein Vater ist 1912 in Traben-Trarbach an der Mosel geboren und ging dort zur Schule.
Text und Foto: Petra Dobrovolny
Walliser Wetterkapriolen und Humor
Am Mittwoch, den 16. April, einen Tag vor Gründonnerstag, beginnt es am Nachmittag zu schneien. Ununterbrochen, 36 Stunden lang. Im Berner Oberland und im Wallis fallen 1 bis 2 Meter Schnee, auf unserer Terrasse etwa 120 cm. So viel wie noch nie innerhalb so kurzer Zeit. Viele Bäume fallen wegen der grossen Schneelast auf Strassen und Schienen. Auf der Strecke Lausanne – Brig – Domodossola ist der Zugverkehr unterbrochen. Schulen werden geschlossen. Die Bevölkerung wird gebeten, möglichst zuhause zu bleiben. Die Gemeinde Adelboden im Berner Oberland ist von der Umwelt abgeschnitten, auch die Dörfer im Mattertal. Dort liegt in St. Niklaus eine Frau seit Gründonnerstag in den Wehen. Ihr Kind hat sich diese Zeit, in der alles stillsteht, ausgesucht, um das Licht der Welt zu erblicken. Zum Glück gibt es eine Hebamme im Dorf, die sich durch den Schnee zur Gebärenden durchkämpfen kann. Der Kanton Wallis ruft für drei Tage die Gefahrenstufe 4 – von 5 – aus und bittet die anreisenden Feriengäste ihre Anfahrt um ein bis zwei Tage zu verschieben. In einigen Gemeinden fällt bis zu 40 Stunden der Strom aus. Bei mir in Leukerbad funktioniert alles, auch die Internetverbindung. Sicherheitshalber fülle ich drei Thermosflaschen mit heissem Wasser. Heute, am Gründonnerstag wollte Georg von Bern her anreisen, um gemeinsam mit mir Ostern zu feiern. Die Züge können noch nicht wieder durch den Lötschbergtunnel fahren. Jede Stunde hören wir Radio, um das Neuste über diese aussergewöhnliche Lage zu erfahren. Ich schicke Georg Fotos von unserer verschneiten Dachterrasse, wo sich der Schnee über ein Meter hoch türmt, meine Stiefmütterchen auf der Fensterbank jedoch verschont hat.
Am Karfreitag kann auch ich wieder aus dem Haus und ins Dorf gehen. Der Wind hat nachgelassen, die warme Frühlingssonne lassen den Schnee bereits schmelzen. Doch die weisse Pracht ist immer noch zu hoch. Überall wird auf Hochtouren geräumt. Aber es ist wegen der drohenden Überschwemmungsgefahr besser, dass die Niederschläge in der Form von Schnee kamen und nicht als Regen. In Norditalien und Südfrankreich reissen die Fluten bereits alles mit, was ihnen im Weg steht.
Am Karsamstag kann Georg endlich anreisen. Er freut sich, dass auch die Busfahrt von Leuk nach Leukerbad problemlos verlief. Sein Reiseabenteuer vom 23. Dezember ist ihm noch gut in Erinnerung. Am späten Nachmittag hatte ein heftiger Schneesturm eingesetzt. Der Bus musste nach etwa 10 Minuten Fahrt anhalten, weil ein Auto im Schnee stecken geblieben war. Die Weiterfahrt war erst in einer Stunde möglich. Der Buschauffeur Frank hielt die Passagiere bei guter Laune und sagte zum Beispiel, dass er Kaffee bestellt habe, jedoch nicht wisse, wann dieser käme. Alle waren natürlich erleichtert, als die Fahrt weiterging. Der Sturm wütete weiter, Schneepflüge konnten nur eine enge Gasse in der Strassenmitte freihalten. Entgegenkommende Fahrzeuge hatten Mühe, dem Bus auszuweichen. Etwa 200 Meter vor dem Ortseingang von Leukerbad gelang dies einer asiatischen Touristin nicht. Ihr Mietwagen vom Flughafen Genf hatte noch nicht einmal Winterreifen. In Panik gab die Chauffeurin nur noch Gas und schaufelte so immer mehr Schnee unter ihr Gefährt. Der Bus kam nicht immer noch nicht daran vorbei. Frank stieg aus, bat ein paar kräftige Passagiere mit anzufassen, um das Fahrzeug zu bewegen. Sie konnten das Auto jedoch nicht vom Schneesockel schieben. Auch mit einer Schaufel war nichts auszurichten. Ein mobiler Kran musste von der Polizei, die nicht gerade erfreut war, bestellt werden, um den Wagen vom Schneesockel zu heben. Georg überlegte bereits, ob er die restlichen 200 Meter bis zum Busbahnhof zu Fuss zurücklegen solle, doch der immer noch heftige Schneesturm hielt ihn davon ab. Inzwischen war es auch schon dunkel geworden. So harrte er eine weitere Stunde im inzwischen nicht mehr warmen Bus aus, bis der Kran das Hindernis beseitigen konnte. Ihr könnt euch die Erleichterung der Fahrgäste vorstellen, als der Bus endlich mit gut zwei Stunden Verspätung im Leukerbadner Busbahnhof ankam. Chauffeur Frank erhielt für die erfolgreiche und unfallfreie Bewältigung der schwierigen Situation, seine Geduld und seinen Humor von allen einen herzlichen Applaus und in einem Hut gesammeltes Trinkgeld.
Die einzige diensthabende Taxifahrerin hatte bereits eine volle Fuhre und versprach Georg in einer halben Stunde wiederzukommen. Er musste ihr dann den Weg bis zu unserem Haus zeigen, denn bei Schneegestöber und Nebel war die Strasse kaum sichtbar. Zweieinhalb Stunden später als geplant konnte ich meinen Georg in unserer warmen Stube willkommen heissen. Am nächsten Tag hatte sich der Schneesturm wieder beruhigt, die Sonne liess sich blicken und die vielen Skifahrenden freuten sich über die guten Pisten mit 50 cm Neuschnee. Über Weihnachten und Neujahr ist Hochsaison. Über die Ostertage wünschen sich die Leukerbadner Hotels auch viele Gäste, von denen viele in diesem Jahr nicht pünktlich anreisen konnten.
„Pünktlich“ am Ostermontag stirbt Papst Franziskus stirbt am Ostermontag. Am Ostersonntag konnte er noch mit letzter Kraft vom Balkon aus den Segen Urbi et Orbi erteilen. Der Zeitpunkt seines Todes ist Anlass für viele Spekulationen. Astrologiekundige deuten ihn als ein Zeichen dafür, dass für die katholische Kirche eine Ära zu Ende geht. Nicht mehr Hierarchie und Bürokratie werde in Zukunft die Kirche bestimmen, sondern Mitspracherecht und christliche Liebe.
Am Samstag nach Ostern findet in Rom die Beisetzung statt. Zu derselben Zeit läuten auch hier in Leukerbad die Sterbeglocken. Ein bekannter und beliebter Leukerbadner ist im Alter von fast 90 Jahren gestorben. Georg geht kurz vor Beginn der Trauerfeier an der Kirche vorbei. Dort warten drei Fahnenträger auf die Ankunft der Urne. Einer von Ihnen sagt zu Georg: „Unser Pfarrer kann jetzt nicht in Rom sein. Er hat hier zu tun. Ausserdem würde er sowieso nicht zum neuen Papst gewählt.“ Das ist Walliser Humor.
Text und Foto: Petra Dobrovolny
Osterbotschaft 5
Und Gott sprach:
Ohne dich bin ICH nichts,
ohne dich kann ich nicht wirken,
doch mit dir ist Kuss,
Berührung und Gesang.
Du tust, und ICH
wirke durch dich.
Du sprichst, und ICH
spreche durch dich.
ICH bin das Wort,
du bist die Tat,
WIR sind die Wirkung.
Wer Ohren hat, der höre.
Wer Augen hat, der sehe.
Amen.
Text empfangen von Petra Dobrovolny
Osterbotschaft 4
Und Gott sprach:
ICH bin dein Traum in der Nacht,
der dir erzählt von Wundern, die
WIR gemeinsam vollbringen…
ICH bin der Lobgesang auf deinen Lippen,
ICH bin der Kürbis in deinem Garten,
den deine Hände gesät haben.
ICH bin der Kuss deiner Lippen,
ICH bin der Glanz in deinem Blick.
Text empfangen durch Petra Dobrovolny
Foto: Petra Dobrovolny
Osterbotschaft 3
Und Gott sprach: ICH bin
ICH bin der Schrei des Adlers,
ICH bin die Welle des Meeres,
ICH bin die Flamme des Feuers,
ICH bin der Duft der Rose,
ICH bin das Fauchen des Tigers,
ICH bin das Lächeln des Kindes,
ICH bin die Perle in der Muschel,
ICH bin der Klang der Trommel,
ICH bin der Ton der Glocke,
ICH bin der Rhythmus der Gezeiten,
ICH bin das Sandkorn der Wüste.
ICH bin die Schneeflocke auf deiner Wange.
Text empfangen von Petra Dobrovolny
Foto: PeD
Osterbotschaft 2
Und Gott sprach:
„Du bist wie eine Rose,
du verschwendest deinen Duft,
egal, wer an dir riecht.
So ist auch meine Liebe
zu meiner Schöpfung:
Verschwenderisch!
Tu‘ es mir nach:
Verschwende deine Liebe!“
Text empfangen von Petra Dobrovolny
Osterbotschaft 1
Und Gott sprach:
Fürchte dich nicht! ICH segne dich!
ICH meine dich!
„Wie ist das möglich?“, meinst du,
„Es gibt doch so viele Menschen!“
Doch ICH spreche aus deinem innersten Kern,
da bist nur du,
da bist nur ICH,
WIR sind EINS.
Du bist geliebt, ICH liebe dich,
auch das ist persönlich gemeint,
du bist gemeint.
Du bist immer eingebettet in meiner Liebe,
mit Haut und Haar liebe ICH dich.
Durch und durch durchdringt dich
meine Liebe. Sei gesegnet und wisse:
Du bist beschützt!
Text empfangen von Petra Dobrovolny
Frühling und die neue Zeit
Vorgestern habe ich zum ersten Mal wieder einen Schwarm Mauersegler über Leukerbad gesehen. Sie kehren aus dem Süden zurück. Auch wenn hier noch Schnee liegt, macht sich der Frühling bemerkbar. Die Erikas in meinen Blumenkästen haben sich bis jetzt zwar gut gehalten. Doch ich sehne mich nach Frühlingblumen und kaufe bei meiner Floristin Osterglocken, Hyazinthen, Bellis, Stiefmütterchen und Primeln.
Viele spüren, dass dieser Frühling ein besonderer sein wird. Im März 2025 endet ein 12‘000jähriger Zyklus, Saturn in Konjunktion mit Neptun befindet sich im Sternzeichen Widder, 7 Planeten ordnen sich von der Erde aus gesehen in eine Linie ein, Pluto ist bereits seit ein paar Monaten im Wassermann und wird dort bis 2044 bleiben. Sonnenstürme treffen auf die Erde, das geomagnetisches Feld reagiert darauf mit grossen Schwankungen. Erdbeben sind die Folge. Santorini wurde evakuiert. Für erloschen geglaubte Vulkane erwachen.
Was bedeutet das für uns? Alte Herrschaftsstrukturen lösen sich auf. Die Zeichen stehen auf Revolution. Die Völker lassen sich nicht mehr von oben her beherrschen. Die Menschen gehen auf die Strasse. Dies sehen wir jetzt in Serbien. Die Studenten erhalten mit ihrer Forderung nach Demokratie und Aufdeckung der Korruption Unterstützung von einem grossen Teil der Bevölkerung. Die Strassen von Belgrad können die Menschenmengen kaum fassen. Sogar in Deutschland tut sich etwas. Kurz vor den Wahlen hatten sich tausende von Menschen in Berlin friedlich versammelt und für das Land gebetet. – Papst Franziskus liegt im Sterben. Wie wird es wohl mit der Katholischen Kirche weitergehen? Wird der neue Papst der letzte sein?
Mit Pluto im Wassermann werden wir neue Erfindungen erleben. Auf dem Gebiet der sogenannten künstlichen Intelligenz ist dies bereits der Fall. Auch in der Aviatik tut sich was.
Am 14. März fand eine totale Mondfinsternis im Zeichen Jungfrau statt. Das letzte Mal geschah dies im Jahr 2008. Was ist damals in deinem Leben passiert? Mir zum Beispiel wurde es möglich, mit meiner Praxis von der unteren in die obere Berner Altstadt umzuziehen. Ein „Zufall“ hatte diese Änderung bewirkt.
Am 29. März wird es eine Sonnenfinsternis geben, am 21. März ist die Tag-und-Nachtgleiche. An diesem Tag werde ich wieder eine Klangmeditation als Gebet für den Frieden unter dem Motto „Dona nobis pacem“ in der Pfarreikirche Leukerbad anbieten. Wenn ich dort mit meinen Kristallklangschalen am frühen Nachmittag „übe“, setzen sich die Besuchenden, die mich und meine Klänge zufälligerweise entdecken, immer häufiger und länger in eine Kirchenbank und halten ein in einem stillen Gebet. Oft höre ich ein Seufzen, ein Weinen, ein geflüstertes Vaterunser: „Dein Wille geschehe!“.
Tipps für weitere Infos über die laufende Zeit-Qualität:
Auf Youtube findet ihr spannende Beiträge von Dieter Broers, Uwe Breuer, Pam Gregory, Amanda Ellis, Emilio Ortiz und Alex Ferrari etc.
Foto und Text: Petra Dobrovolny
Albinen einst und heute
Heute, am 15. Januar, fahre ich zum Nachbardorf von Leukerbad, nach Albinen, walliserisch „Albinu“ genannt. Eine halbe Stunde lang dauert die Fahrt mit dem Bus auf einer meist einspurigen Strasse und durch einen Tunnel Richtung Südosten. Albinen liegt an einem steilen Hang auf 1274 m über dem Meeresspiegel – ca. 140 m niedriger als Leukerbad – mit einer herrlichen Aussicht auf das sich nach Westen öffnende Rhonetal. Wegen der längeren Abendsonne und dem besseren Schutz vor dem Nordwind ist das Klima hier milder als in Leukerbad. Dies erlebe ich auch heute: Während in Leukerbad ein stürmischer Gemmiwind aus dem Norden bläst, ist es in Albinen windstill.
In einem Vereinslokal über der Garage der Feuerwehr trifft sich heute die Seniorengruppe „60plus“ zu einem Vortrag über Albinen einst und heute. Basil Mathieu, ein über 80-jähriger Albiner erzählt den ungefähr 90 Zuhörenden von seinem Dorf, das heute etwa 250 Einwohnende zählt. Im 18. und 19. Jahrhundert gab es ca. 400, und die Grösse der Gemeinde umfasst bis heute 1540 ha. Davon war ein Drittel mit Wald bedeckt. Hier lebten bereits um 100 v. Christi Kelten, wie Funde von Gräbern aus der Zeit beweisen. Urkundlich wurde Albinen zum ersten Mal im Jahr 1224 erwähnt. Die zwei Weiler in der Nähe Tschingeren und Dorben gehören dazu. Die Gemeinde wurde anfänglich „Dorben-Albinen“ genannt, denn in Dorben befand sich das Gemeindehaus. Das politische Schwergewicht verlagerte sich erst nach 1350 nach Albinen.
Im Winter gab es jeweils bis zu 130 cm Schnee, der das Dorf oftmals für eine Woche von der Umwelt abschnitt. Die Transportmittel waren Holzski und breite Holzschlitten, die an den Aussenwänden der Häuser aufgehängt wurden. Die Häuser bestehen aus Holz und Stein, die Wände wurden mit gebranntem Kalk befestigt. Zu der Zeit gab es noch kein Zement, sondern eine Kalkbrennerei. Es gab Kalköfen, die zum Bedauern des Erzählers leider nicht restauriert wurden und schon lange nicht mehr funktionieren.
Es gab einen Schreiner und drei bis vier Schuhmacher. Jede Familie hatte mindestens eine Kuh, eine Ziege, manchmal auch einige Schafe, sowie Obstbäume – Äpfel, Birnen und Zwetschgen – und Reben im 12 km entfernten Dorf „Varen“, das als Sonnenterrasse 135 m über dem Rhonetal auf 760 m über dem Meeresspiegel liegt und den Anbau von Reben ermöglicht. Hier wurde der Wein gekeltert und gelagert. Maultiere trugen ihn jeweils in zwei länglichen Fässern hinauf nach Albinen. Jedes Fass konnte mit 75 l Wein gefüllt werden. Diese Masseinheit wurde „Lagel“ genannt. In Albinen gab es mindestens 20 Maultiere.
Der Roggen wurde in den Stadeln, die wie Holzhäuser auf Stelzen aussehen, „mäusesicher“ gelagert und im Winter gedroschen.
Das Leben richtete sich nach den Jahreszeiten. Im Sommer und Frühherbst wurde alles zum Überleben im Winter besorgt. Obst wurde gedörrt oder als Marmelade verarbeitet. Auch Schnaps wurde gebrannt. Eine Spezialität und zugleich Medizin war der „Jenziner“. Er wurde aus der Wurzel des gelben Enzians gebrannt. Das ist heute verboten, wird aber trotzdem manchmal noch gemacht. Es hiess: Wenn du genug Kartoffeln, Holz und Futter für die Tiere hast, kannst du durch den Winter kommen. Die Kartoffeln wurden in einem Loch im Naturboden des Kellers gelagert. Brot wurde nur viermal im Jahr gebacken und sehr hart gegessen. Während der langen Winterabende wurde nicht nur Wolle, sondern auch Geschichten „gesponnen“, darunter auch folgende:
„Es hiess, dass sich am 13. Januar, am Tag des heiligen Hilarius, die Seelen der Menschen, die im Verlaufe des Jahres sterben werden, sich um Mitternacht in der Kirche treffen. Josi habe sich einmal vorgenommen, der Sache auf den Grund zu gehen. Er liess sich am Hilariusabend vom Sakristan unbemerkt in der Kirche einschliessen und machte es sich so gut wie möglich auf der Empore gemütlich. Trotz der grossen Kälte schlief er ein. Der Glockenschlag an Mitternacht weckte ihn und er sah unten in der Kirche eine brennende Kerze und zwei Gestalten. Eine davon setzte sich in eine Bank und begann mit dem Rosenkranz „die 5 Wunden Jesu“ zu beten. Danach ging die andere Gestalt zum Chor hinter den Altar und rief in Richtung Josi: „Und jetzt noch „die 5 Wunden“ für den auf der Empore!“ Josi lief es kalt den Rücken hinunter. Er sagte sich: „Ich bin doch gesund, mir fehlt nix. Ich werde bestimmt noch nicht sterben!“ Es vergingen 6 Monate, bis ein Dorfbewohner starb. Es wurde Winter und siehe da, am Weihnachtsabend starb ein Zweiter. Josi dachte, dass sich die Vorhersage nicht erfüllen werde. Noch bevor der Kirchenchor das neue Jahr einsingen konnte, wurde Josi begraben.“
1850 wurde die Schulpflicht eingeführt. Davor konnten die meisten weder lesen noch schreiben. Das Gemeindehaus wurde für die Schulklasse um ein Stockwerk erweitert. Die Leute konnten aber rechnen und benutzten verschiedene Masseinheiten, zum Beispiel zur Berechnung der „Miete“ einer Alpweide für die Kühe. Die Burgergemeinde war die Besitzerin der Weiden. Als Einstandspreis zur Benutzung der Alpe und Anerkennung der Gemeinde bezahlte man 37.5 l Wein, in der damaligen Masseinheit mit einem „½ Lagel“ bezeichnet. Die Maultiere trugen den Wein in zwei länglichen Fässern, die je 1 Lagel fassten, insgesamt also 150 l pro Lasttier von Varen hinauf nach Albinen. Pro Sommer musste man ausserdem einen Tag auf der Alp arbeiten, wenn man seine Tiere dort weiden lassen wollte. Als Bestätigung dafür schnitt der Alpvogt eine bestimmte Einkerbung in ein flaches etwa 30 cm langes Holzstück, „Täslä“ genannt. Die Art der Kerben sagte aus, wie viele Rinder und Kälber man auf die Alpe treiben durfte. Auch konnte man Losholz aus dem Wald der Burgergemeinde und pro Jahr 4 Flaschen Burgerwein beziehen.
Damals wurden auch schlecht zugängliche Hänge von Hand mit Sensen gemäht, so dass die Landschaft sehr gepflegt aussah. Heute werden nur noch die leichter zugänglichen Hänge bearbeitet, sodass viele Bergweiden nicht mehr gepflegt sind und verkommen bzw. „verganden“. Im Sommer und Frühherbst haben wir in Leukerbad an Wochenenden bis zu drei Generationen beim Mähen der blumenreichen Weiden beobachten dürfen. Dies ist heute eher eine Seltenheit.
1723 wurde die Kirche gebaut, 1739 kaufte sich Albinen von Leuk los. 1906 gab es das erste Lebensmittelgeschäft, das vor allem Salz, Petrol und Tabak anbot. Heute befindet es sich im Besitz der Gemeinde und führt natürlich ein breiteres Sortiment. 1946 gab es ein starkes Erdbeben, das die Kirche, die der Schutzpatronin der Bergbevölkerung, der Heiligen Barbara, geweiht war, schwer beschädigte. Sie wurde notdürftig repariert. Die 1955 entstandene Strasse ins Tal ermöglichte den Bau einer neuen Kirche. Der damalige Pfarrer wünschte, dass sie die Form eines Schiffs ähnlich der Arche Noah haben und dem Bruder Klaus geweiht werden sollte. Die damals moderne Architektur war wohl für viele gewöhnungsbedürftig. Nach der Eröffnung berichtete eine Tageszeitung über „das gekenterte Schiff von Albinen“.
Den Worten Basils möchte ich noch Folgendes hinzufügen, was ich beim letztjährigen Vortrag von Bruno Zumofen in Leukerbad erfahren habe:
Bei den zahlreichen Bade- und Kurgästen waren Anfang des 20. Jahrhunderts die Albiner Blumenkinder sehr beliebt. Auf den schmalen Wegen nach Leukerbad pflückten sie einheimische Blumen, vor allem Alpenrosen. Diese verkauften sie in kleinen Schachteln den Gästen, die die Alpenflora per Post Bekannten und Verwandten in die ganze Welt verschickten. Manchmal verdienten die Blumenkinder pro Monat sogar mehr als der Familienvater. – Bevor es 1978 die Strasse von und nach Leukerbad gab, war die Benutzung der an den Felswänden fest installierten Leitern zur Überwindung der steilsten Wegstücke eine Selbstverständlichkeit. Heute gibt es immer noch 8 Leitern für schwindelfreie Wandernde. – Medizinisch versorgte sich die Dorfbevölkerung mit Heilkräutern. Es gab und gibt heute noch in Albinen einen Kräutergarten. Für schwerere Fälle kam ein Arzt aus dem Tal auf einem Maultier. Es soll einmal eine Hebamme gegeben haben, die auch gebrochene Arme und Beine richtig schienen konnte.
Am Anfang, in der Mitte und am Ende seines Vortrags spielt Basil Stücke auf seiner Mundharmonika. Er gibt auch noch weitere Dorfgeschichten zum Besten. Das meiste davon habe ich nicht verstanden, denn Basils Wallisertitsch, das man wohl eher als „Albinutitsch“ bezeichnen könnte, klingt für meine Ohren sehr ungewohnt. Sogar einige Walliser Gäste aus dem Tal hatten etwas Mühe damit. Doch haben wir alle seine anderthalbstündige Darbietung genossen, in der er uns in die Welt der früheren Generationen von „Albinu“ entführte. Da ich weder im Wallis noch in den Bergen, sondern in Luxemburg aufgewachsen bin, habe ich mir nicht eingebildet, dass ich diesen Vortrag ohne Fehler und Missverständnisse wiedergeben kann. So habe ich Basil Mathieu meinen Text mit der Bitte um Korrekturen per Post geschickt und ihm ein Treffen vorgeschlagen. Darüber hat er sich sehr gefreut. Bald sassen wir zusammen in einer Cafeteria in Leukerbad. Basil beantwortete meine Fragen und erklärte mir seine zahlreichen Berichtigungen, die er sorgfältig mit Rotstift angebracht hatte. Ich habe sie hier im Text berücksichtigt. Als Dank für meine Interesse schlug Basil vor, im Mai, wenn der Schnee geschmolzen sei, meinen Partner Georg und mich durch sein Heimatdorf zu führen und uns noch weitere Geschichten von Albinen einst und jetzt zu erzählen.
Foto: Albinen mit Blick auf das Rhonetal
und Text: Petra Dobrovolny
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Beste Wünsche
Petra Dobrovolny