Begegnungen im März 2

Leukerbadner Rosinen – Klangmeditation am 10.03.2023

Am Nachmittag beginnt es heftig zu schneien. Viele Tourist*innen sind inzwischen abgereist, die Einheimischen werde wohl bei dem ungemütlichen Wetter kaum das Haus verlassen. Doch ich habe mich getäuscht: Ab 16:45 Uhr findet sich ein zahlreiches Publikum ein: Etwa die Hälfte davon stammt aus Leukerbad, die andere Hälfte kommt meiner Einschätzung nach aus der Romandie und Italien. Mein Georg weist die Plätze zu und passt auf, dass niemand die renovationsbedürftige Kirchentüre laut zuschlägt. Dieses Mal scheut sich niemand, sich in die erste Reihe zu setzen. Die Sakristanin hat links und rechts vom Altar der Seitenkapelle je eine grosse lange Kerze hingestellt und angezündet. Die gedämpfte Deckenbeleuchtung trägt zur besinnlichen Stimmung bei. Etwa fünf Minuten vor 17 Uhr bringe ich leise die drei Kristall-Klangschalen in Schwingung, denn alle sitzen schon bereit da  und schauen mich erwartungsvoll an. Den Glockenschlag zur vollen Stunde begleite ich dann kräftig und schwungvoll. Meine Klangschalen klingen fast ähnlich wie die Kirchenglocken und harmonieren sehr gut mit ihnen. Das liturgische «In nomine patris» eröffnet die Meditation, es folgt ein Stück mit meiner Kristall-Lyra, dann das «Benedictus» und «Dona nobis pacem». Etwa Dreiviertel der Anwesenden hat die Hände zum Gebet gefaltet und die Augen geschlossen. Ich spüre, wie sie den Klängen und meinem Gesang lauschen, sich darauf einlassen, innerlich ruhig werden und mir im Gebet folgen. Manche, die den Text kennen, bewegen schweigend ihre Lippen. Die Klänge wandern durch den heiligen Raum der Kirche und hüllen die Betenden in eine Energiekugel ein, in welcher wir uns mit dem gemeinsamen Wunsch nach Frieden begegnen. Diese «Friedensenergie-Kugel» verdichtet sich spürbar immer mehr während dieser Dreiviertelstunde und wir werden darin zu einer Gemeinschaft, samt den verstorbenen Seelen, die zu Besuch kommen und den Menschen, die sich aus der Ferne her – um mein Programm wissend –  eingestimmt haben. Ich schliesse mit einem «Andate in pacem». Jeder und jede kann nun etwas von dieser «Friedensenergie-Kugel» mit nach Hause nehmen. Die Glocken schlagen viertel vor 18 Uhr, ich warte betend auf das Ausklingen. Niemand kommt auf die Idee Beifall zu klatschen. Die Stille nach den Klängen ist so kostbar, und alle bleiben noch sitzen. Ich danke allen für ihr Kommen und das gemeinsame Beten für den Frieden in der Welt und auch für den inneren Frieden. Wer möchte, könne etwas für die Kollekte geben, die traumatisierten Menschen in verschiedenen Ländern zugutekäme. Drei Damen aus Genf möchten meine Instrumente noch näher anschauen und sagen, dass sie die Klänge sehr genossen hätten. Andere kommen zur Statue der heiligen Maria von Fatima und spenden eine Kerze. Die Sakristanin hat inzwischen die zwei grossen weissen Kerzen beim Altar gelöscht und sagt mir, dass ich alles so stehen lassen könne. Es bleibt mir nur übrig meine Instrumente einzupacken und Georg in die nahegelegene Cafeteria zu folgen, um gemeinsam mit einem uns befreundeten Ehepaar, das zurzeit in Leukerbad Ferien verbringt, mit einem Glas Walliser Weisswein anzustossen. Die Klangmeditation habe ihnen sehr gefallen und zufälligerweise hat unsere Freundin heute Geburtstag. Dieser Anlass sei für sie ein besonderes Geschenk, für welches sie sehr dankbar sei. Unser Freund meint, die Klänge hätten ihn an seine zwei Reisen nach Katmandu erinnert. Meine grosse violette Klangschale ist tatsächlich auch aus kristallisiertem Himalaya-Salz und klingt wie das OM, das unserem AMEN ähnelt.     

Foto und Text: Petra Dobrovolny         

Begegnungen im März (Leukerbadner Rosinen)

Am Donnerstag, den 9. März stelle ich in der Kirche wie gewohnt zur Mittagszeit meine drei Klangschalen auf den Altar in der Seitenkapelle und lege meine Kristall-Lyra daneben. Ein junger – meiner Einschätzung nach – serbischer Gastarbeiter betritt die Kirche, kommt zu mir und fragt mich so gut er kann auf Französisch, wo man hier Kerzen für verstorbene Angehörige anzünden könne. Sein Grossvater sei gestern gestorben. Ich deute auf das Metallgestell bei der Madonna von Fatima, wo bereits einige Kerzen in kleinen roten Plastikbechern brennen, und zeige ihm, wie er mit einer kleinen «Hilfskerze» die von ihm ausgewählte anzünden kann. Während er dies tut und betet, spiele ich auf meiner Kristall-Lyra Klänge für seinen Grossvater. Die Trauer des Enkels scheint umso grösser zu sein, weil er jetzt in der Schweiz sein muss und nicht bei seiner Familie im entfernten Land sein kann. Doch das Kerzenlicht, die Madonna und meine Klänge trösten und beruhigen ihn. Nach einer Weile verabschiedet sich der Mann mit einem herzlichen «Merci beaucoup» und verlässt zufrieden die Kirche.

Bald danach kommt eine etwa 60-jährige Frau zur Madonna, zündet eine Kerze an und setzt sich in meiner Nähe hin, um zu beten und um meinen Klängen zu lauschen. Als ich «Sanctus» singe, beginnt sie zu weinen. Immer wieder wird sie von weiteren Schüben Trauer erfasst und viele Tränen fliessen. Da ich den Eindruck habe, dass ihr meine Klänge guttun, fahre ich noch etwa eine halbe Stunde lang fort bis zum «Andate in pacem» und «Amen».  Danach kommt sie zu mir und bedankt sich. Gerade jetzt werde in Lausanne eine ihr sehr nahestehende Freundin beerdigt. Mit dieser Freundin sei sie öfters in Leukerbad gewesen, auch hier in der Kirche. Es täte ihr leid, dass sie jetzt nicht bei der Trauerfeier dabei sein könne, denn sie sei zurzeit hier in einer Kur und könne ihr Therapieprogramm nicht unterbrechen. Umso dankbarer sei sie für meine Klänge und Gesänge, die für sie genau zur richtigen Zeit kamen. Sie bedankt sich herzlich bei mir, auch ich danke ihr dafür, dass sie mir ihre Geschichte anvertraut hat.

Heute waren diese Begegnungen für mich besonders berührend: Zwei Verstorbene und zwei Trauernde konnte ich mit meinen Klängen begleiten. Am Freitag, den 10. März ist es wieder so weit: Die Klangmeditation «Dona nobis pacem», für die ich fast jeden Tag um die Mittagszeit übe, findet offiziell um 17 Uhr statt. Um 13 Uhr mache ich eine Generalprobe. Meine Stimme hat heute eine gute Tagesform. Ein Westschweizer aus dem Kanton Fribourg unterbricht mich und will unbedingt wissen, welche Technik ich anwende, denn die «Sonorité» sei «magnifique». Suchend schaut er in meine grossen Kristallklangschalen, um das Geheimnis dieser Klänge zu ergründen. Zu seiner Enttäuschung gelingt ihm dies jedoch nicht, denn er muss feststellen, dass die Schalen leer sind. Ob er mich mit seinem Handy filmen dürfe, fragt er. Ich erlaube es ihm nicht, informiere ihn aber darüber, dass ich Anfang April ein Video mit einer Aufnahme in der Kirche auf meinen Youtube-Kanal poste und dass ich heute und jeden 2. Freitag des Monats eine offizielle Klangmeditation anbiete. Da meint er, dass er dann mal mit seiner Frau kommen werde.

Immerhin hatte mich dieser Herr um Erlaubnis gefragt, ob er mich filmen dürfe. Vor ein paar Tagen hatte sich eine junge Dame in das grosse Kirchenschiff auf eine Bank mit dem Rücken zu mir gesetzt. Ich wollte meine Klänge gerade aufnehmen, doch schalte ich das Aufnahmegerät normalerweise ab, sobald jemand die Kirche betritt und es mit der für Aufnahmen nötigen Stille vorbei ist. Denn das Zuschlagen der Türe, Gespräche und sonstige Geräusche der Besuchenden verursachen störende Nebengeräusche auf der Tonspur. Nun bemerke ich, dass diese Frau sehr ruhig dasitzt und denke, ich riskiere es und schalte ein. In der Kirche ist es still, mehrere Stücke kann ich ungestört aufnehmen. Nach «andate in pacem» sehe ich erst, dass die Frau ihr Handy eingeschaltet hatte. Sie hatte also nicht gebetet, sondern meine Klänge ungefragt aufgenommen und war selbst daran interessiert, diese ohne störende Nebengeräusche auf ihr Handy zu bringen. Mit einer Dankesgeste verlässt sie schnell die Kirche, ohne eine Kerze zu spenden.

Seitdem ich meine Klänge und Gesänge in der Kirche üben darf, d.h. seit September 2022, ist es mehrmals passiert, dass Besucherinnen diese aufgenommen haben, ohne mich zu fragen. Dies will mir sagen, dass meine Klänge den Leuten gefallen und sie diese für sich haben möchten. Das stört mich nicht, aber wenigstens könnten sie etwas für die Kirchenrenovation oder zumindest bei der heiligen Maria von Fatima eine Kerze spenden.


Heute waren diese Begegnungen für mich besonders berührend: Zwei Verstorbene und zwei Trauernde konnte ich im richtigen Moment mit meinen Klängen begleiten.

Foto: Leukerbadner Marienkirche

und Text: Petra Dobrovolny