Mein Tagebuch: Rückblick 2. Hälfte 2022

Jahresrückblick
2. Teil: Juni bis Dezember 2022
 

Am 1. Wochenende im Juni feiert UK das «Platinum Jubilee». Zum 70. Mal jährt sich der Tag der Krönung von Her Majesty Queen Elizabeth II. Das erste grosse Fest seit der «Corona-Zeit» verläuft friedlich.

Ende Juni findet in Leukerbad das jährliche internationale Literaturfestival statt. Dieses Jahr muss das Publikum keine Hygienemasken mehr tragen. «Corona» ist in den Beiträgen der Autoren und Autorinnen kein Thema, auch nicht die durch die Massnahmen der Behörden entstandene Erosion der Demokratie, der Menschenrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit … Ist es für eine solche literarische Aufarbeitung noch zu früh? Stattdessen ist das Thema «Ukraine» und «Heimat» präsent. Die ukrainische Schriftstellerin Tanja Maljartschuk liest vor: «Was ist Heimat? Heimat ist, woher die Traumata kommen.»


Statt Covid-Wellen beschäftigen uns jetzt Hitzewellen. Sogar in Leukerbad auf über 1400 Meter ü.d.M. werden es an einigen Tagen 30°C, in Basel 40°C. Wegen grosser Waldbrandgefahr werden in den meisten Kantonen für den Nationalfeiertag am 1. August Feuerwerke verboten. Georg und ich lancieren eine Petition, die Knallerei auch noch aus einem anderen Grund – und nicht nur der Tiere zuliebe – sein zu lassen: Bei jedem Knall erleben die zahlreichen Flüchtlinge in der Schweiz – nicht nur jene aus der Ukraine – die Kriegssituation wieder, vor welcher sie unter Lebensbedrohung geflohen sind. Ihr Trauma wird reaktiviert. In der Traumatherapie wird diese Reaktion mit «Flash back» bezeichnet. Ausser den Fachleuten für Traumata ist dieses Phänomen nur wenigen bekannt. Noch im Juli schreiben wir an verschiedene Politiker:innen. Unser Anliegen wird mehrheitlich positiv aufgenommen, besonders in unserem Wohnquartier in Bremgarten. Es gibt auch negative Reaktionen: «Warum sollen wir uns ausgerechnet wegen der Flüchtlinge die demokratischen Errungenschaften der Schweiz nicht mit Knallen feiern?» In Bremgarten bleibt es am 1. August ruhiger als sonst. Eine Nachbarin hatte den Brief mit unserem Aufruf fleissig weiterverteilt. In vielen Gärten feierten Familien und Bekannte ohne Knallerei.

Das Verfassungsgericht Lichtenstein erklärt die 2G-Regel als verfassungswidrig. In der Schweiz gibt es kein Verfassungsgericht. Das Volk ist der Souverän. Der Rütli-Schwur lautet:
«Wir wollen sein ein einig’ Volk von Brüdern, …
Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.»

Am 8. September stirbt die Queen in ihrem Sommerschloss in Schottland. Eindrucksvolle tagelange Zeremonien begleiten das Ende einer Ära. Leider ist das Ende der Ära der russischen Angriffskriege noch nicht zu Ende. Trotzdem wagen unsere ukrainischen Nachbarinnen mit ihren Kindern die Rückkehr in ihr Heimatland. Nach drei Wochen kehrt eine von ihnen, Veronika, mit ihren drei Kindern wieder zurück. Ihr Mann, der die Ukraine nicht verlassen darf, konnte wenigstens seinen jüngsten Sohn, der 2-monatigen Platon kennenlernen, doch es gab keine sichere und bewohnbare Bleibe für die Familie. Dies erinnert Georg an die Zeit nach dem «Jugoslawien-Krieg» von vor 25 Jahren. Damals konnte Georg mit seiner Organisation Forum Ost-West bewirken, dass die Schweiz Baumaterial nach Kosovo lieferte. Die dortige Bevölkerung konnte so ihre eigenen Häuser selbst wiederaufbauen. Die damalige Schweizer Hilfe war ein Erfolg, der auch im Ausland Anerkennung fand. Georg schreibt an das EDA (Aussenministerium) und fragt, ob die damalige Hilfe an Kosovo als Modell auch jetzt für die Ukraine gelten könne. Die Antwort lautet: Es möge sein, dass es eine solche Hilfe gegeben hätte. Informationen darüber lägen der Behörde jedoch nicht vor.

Ab Oktober darf ich mit Genehmigung des neuen Pfarrers, der ursprünglich aus Deutschland stammt, hier in der Leukerbadner Marienkirche zur Mittagszeit für meine geplanten Klangmeditationen üben. Die wunderbare Akustik des hohen neu-romanischen Kirchenschiffs bringt die Klänge meiner Musikinstrumente aus Bergkristall und meiner Stimme erst recht zur Entfaltung. Besuchende, die mich dabei zufälligerweise antreffen, nehmen auf den Bänken Platz, lauschen oder beten still für sich. Oft spenden sie bei der Marienstatue, neben der ich spiele, eine Kerze und bedanken sich bei mir.
Am 15. Oktober darf ich die Samstagabend-Messe begleiten. Am 9. und 23. Dezember von 17 bis 17.45 Uhr halte ich jeweils eine Klangmeditation mit dem Titel «Dona nobis pacem». Die Kollekte überweise ich an die schweizerische Organisation «Pro Mundo» für ein Projekt zugunsten der Therapie und Rehabilitation kriegstraumatisierter Menschen in der Ukraine.

Im Oktober darf ich meinen 70. Geburtstag feiern. Statt einer grossen Familienfeier wünschte ich mir über das Jahr verteilte Besuche. Rückblickend war dies eine gute Entscheidung, denn wir verbrachten wunderbare Tage mit einzelnen Familienmitgliedern und ihren Kindern, die wir noch nicht näher kannten.

Im Hinblick auf den nahenden Winter wird von offiziellen Stellen her der Bevölkerung Angst vor einem Energiemangel gemacht. Endlich soll die Abhängigkeit vor allem von russischem Gas und Öl vermindert oder bestenfalls gemieden werden. Diskussion über erneuerbare Energiequellen und Selbstversorgung, wie sie in den 70er Jahren während der sogenannten Erdölkrise bereits üblich waren, werden wieder aktuell. Haben wir 50 Jahre lang geschlafen? Bereits damals entstand in Leukerbad die Idee, das reichlich fliessende 51°C heisse Thermalwasser – vier Millionen Liter pro Tag – für ein Fernwärmenetz zu nutzen. Die Erdöllobby konnte dies bis heute erfolgreich verhindern. Jährlich werden 80 Millionen Liter Heizöl für die Gemeinde benötigt. Ohne Wertschöpfung. Das für wenige lukrative Geschäft geht nun langsam zugunsten der Allgemeinheit zu Ende.

Zu Jahresende gedenken wir immer auch den Menschen unseres Freundeskreises, die uns verlassen haben. Dieses Jahr gibt es auffallend viele darunter, die einen plötzlichen und unerwarteten Tod im Zusammenhang mit einer nRNA-Impfung gegen Covid19 erlitten haben. In vielen Ländern weltweit gibt es eine Übersterblichkeit. Mutige Ärzt:innen und andere Wissenschaftle:innen fordern einen Diskurs, der früher üblich war, sowie unterschlagene Daten. Sogar renommierte Fachleute riskieren Schikanen und Repressalien. So zum Beispiel auch der in Deutschland lebende Prof. Dr. Sucharit Bhakdi, dem im März nächsten Jahres der Prozess gemacht werden soll. Nicht etwa wegen der Verbreitung seiner Fachkenntnisse, sondern wegen Volkverhetzung. Unter seiner Mitwirkung wurde die internationale Gesellschaft «Doctors4covidethics» gegründet.

 Unterdessen plant die Pharmaherstellerin Moderna weitere Produktionsstätten für den immer noch nur provisorisch und notfallmässig zugelassenen mRNA-Impfstoff in Kanada, UK und Australien. Es gibt Regierungen, die für die kommenden 7 bis 10 Jahre weitere Kaufverträge für Millionen von Impfdosen auf Kosten der Steuerzahlenden abgeschlossen haben. Ausführlich berichtet darüber Dr. John Campbell auf Youtube. In der Schweiz hat ein Gericht durchgesetzt, dass das BAG (Bundesamt für Gesundheit) die bisher geheimen Kaufverträge offenlegen muss.

Wie lauten Georgs und meine Wünsche für 2023 und die weitere Zukunft? Um ihnen mehr Nachdruck zu verleihen, formuliere ich sie so, als wären sie bereits in Erfüllung gegangen:

1. In der Ukraine herrscht Frieden. Der kleine Platon kann in Sicherheit und Geborgenheit aufwachsen und sich seinen Begabungen gemäss entfalten.

2. Die Menschen hören einander zu, ohne den anderen zu verurteilen.

3. Der wissenschaftliche Diskurs ist wieder möglich und nachvollziehbar. Die Wahrheit kommt ans Licht. Die «Pandemie-Zeit» wird kritisch aufgearbeitet.

4. Die Menschen setzen sich mehr und mehr für das Gemeinwohl ein. Im Kleinen wie im Grossen. Die internationale Zusammenarbeit verbessert sich.

5. Die zivile Gesellschaft entdeckt ihren Mut zur Eigeninitiative und die Vorteile der Eigenverantwortung.

6. Die Schulen fördern die Talente und Begabungen der Kinder. Neue Berufe entstehen aus Bedarf und Freude am Tun.

Nun wünschen wir allen ein glückliches 2023. Schreibt eure Wünsche auf, um zu unterstreichen, was ihr manifestieren möchtet. Als Kommentar könnt ihr sie auch in meinen Blog schreiben.

Wir sind die Zukunft, die wir sehen wollen!

Foto: Tulpen von Georg

und Text: Petra Dobrovolny

Mein Tagebuch: 30.12.2022

30. Dezember, Freitag: Über Geruchsempfinden und Vermisste in der Ukraine

Über Nacht hat der Schnee Leukerbad wieder in eine Winterlandschaft verwandelt. Die Kinder jauchzen!
Nach Italien führt auch Spanien ab sofort Corona-Tests bei der Einreise chinesischer Tourist:innen durch. Vor einem Monat hatte die Regierung in Peking nach heftigen Protesten der Bevölkerung die Null-Covid-Strategie beendet und die strengen Massnahmen aufgehoben. Seither steigen die Infektionszahlen exponentiell, es gibt mindestens 250 Millionen Infizierte, das Gesundheitssystem ist völlig überlastet. Chines:innen dürfen ohne Tests ausreisen.
Gestern traf ich zufälligerweise unseren Nachbarn Hans aus Bremen in der Waschküche. Er schaut mich mit grossen Augen an: «Ich habe heute euren Brief im Briefkasten gefunden und musste sehr staunen. Von einem Neuankömmling lasse ich mir schon gar nicht verbieten, was ich 20 Jahre lang getan habe! Das Fleisch lasse ich noch 3 Wochen lang trocknen. Denn 700 Franken in die Abfalltonne werfen, das tu’ ich nicht.» Noch nie hätte jemand in all den Jahren reklamiert, denn es sei auch nichts zu riechen, auch jetzt rieche er nichts. Zum Beweis schnuppert er in der für mich übelriechenden Waschküche herum. Nun staune ich! Dabei bin ich nicht die Einzige, die den Gestank bemerkt hat. Die letztjährige mündliche Beschwerde hatte Hans wohl nicht erreicht. Das inzwischen 40-jährige Reglement gelte für alle, egal wie lange jemand im Haus wohne, gebe ich zu Bedenken. Er werde sich erkundigen, was im Wallis üblich sei und an der nächsten Stockwerkeigentümerversammlung darüber abstimmen lassen, ob er weitermachen dürfe. Und natürlich gäbe es Ungeziefer im Keller, so wie in jedem Haus. Es sei nicht bewiesen, dass es einen Zusammenhang mit dem Fleischtrocknen gäbe.

Gut zehn Monate nach Kriegsbeginn gelten in der Ukraine nach Angaben der ukrainischen Präsidentenberaterin Alona Verbytska viele Menschen als vermisst. «Russland hat aktuell 3392 ukrainische Kriegsgefangene bestätigt, aber in der Ukraine gelten derzeit 15 000 Menschen als vermisst, darunter viele Zivilisten», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das Schicksal dieser Menschen sei völlig ungewiss, sagte Verbytska, die sich als Ombudsfrau für die Rechte ukrainischer Soldaten engagiert. «Wir wissen nicht, was mit ihnen geschehen ist.»

Foto: Krippe in der Leukerbadner Kirche

und Text: Petra Dobrovolny

Mein Tagebuch: 24.12.2022

24. Dezember, Samstag: Duftende Weihnachten!

Seit fünf Tagen herrscht Tauwetter, das noch mindestens eine Woche anhalten soll. Lawinengefahr, Regen, Nebel. Die Schneefallgrenze steigt auf 1800m, zeitweise sogar auf 2400m. Nachts sinkt das Thermometer kaum unter +4 °C. In Leukerbad ist es still. Die Tagesgäste bleiben aus. Gäste, die kurzfristig buchen können, suchen eine Destination mit Sonne. Und doch fanden sich gestern zu meiner Klangmeditation mehrere Besuchende ein, dieses Mal vor allem Französischsprachige. Der Eintritt ist frei, die Kollekte ist für das Projekt „Rehabilitation kriegstraumatisierter Menschen in der Ukraine“ der Organisation Pro Mundo www.promundo.ch bestimmt. Das Publikum begleitetet meine Klänge und lateinischen Gesänge mit stillen Gebeten. Eine friedliche Stimmung breitete sich aus. In einer Laterne brannte und brennt immer noch das «Friedenslicht Schweiz» aus Bethlehem. Dort finden nach zwei Jahren „Corona“ erstmals wieder Feiern zur Geburt Christi statt.

In unserem Haus trocknet ein Nachbar Hans aus Bremen im allgemeinen Schutzraum neben der Waschküche etwa 30 Kilo gesalzenes rohes Schweine- und Rindfleisch. Wie auch letztes Jahr. Meine letztjährige mündliche Beschwerde hat nichts genützt. Ein strenger Leichengeruch breitet sich im ganzen Treppenhaus aus. Es duftet nicht nach Weihnachten. Wäsche, die man zum Trocknen aufhängt, nimmt diesen Gestank an. So sehe ich mich genötigt, eine schriftliche im Ton freundliche Beschwerde mit Zitat eines entsprechenden Paragrafen aus dem «Reglement für die Stockwerkeigentümer» an den Fleischtrockner mit Kopie an den Hausverwalter zu schicken.  So etwas mache ich gar nicht gerne. Doch was bleibt mir anderes übrig?

Allen Lesenden wünsche ich friedliche Festtage. Möge sich ein wunderbarer Weihnachtsduft in eurer guten Stube verbreiten.

Foto: Das Friedenslicht aus Bethlehem in der Leukerbadner Marienkirche

und Text: Petra Dobrovolny

Spenden für die Therapie und Rehabilitation kriegstraumatisierter Menschen in der Ukraine: www.promundo.ch IBAN CH82 8080 8003 9639 42234 Raiffeisenbank in der Schweiz, Verein Pro Mundo