Mitte Februar erfüllt sich mir ein schon lang gehegter Wunsch: Mit einer Freundin unternehme ich einen Ausflug nach Albinen. Die Gemeinde kaufte sich im Jahre 1226 vom damaligen Bischof los und wurde selbständig. Der Name Albinen stammt vom Wort „Arbignon“ und weist auf ein Waldgebiet hin. Das Dorf mit heute 248 Einwohner*innen liegt südlich von Leukerbad am Eingang des Dalatals auf 1300 m über dem Meeresspiegel mit einem wunderbaren Blick ins Rhonetal, das Naturgebiet des Pfynwalds und auf die südliche Alpenkette mit ihren Drei- und Viertausendern. Wegen der länger dauernden Abendsonne als in Leukerbad und der einheitlicheren Architektur mit vielen gut erhaltenen alten Häusern aus Holz und Stein ist Albinen ein beliebter Wohn- und Ferienort. Bei unserem Spaziergang durch die engen mit Steinen bepflasterten steilen Gassen ist die alte Zeit des Wallis in seiner Ursprünglichkeit spürbar. Das Wallis wird auch „le vieux pays“, das alte Land genannt. An diesem Ort ist dies besonders spürbar. Wir fühlen uns in eine mehrere hundert Jahre alte Vergangenheit versetzt. Ich spüre die Anwesenheit von Naturwesen, von alten Geistern, die die Häuser hüten und von den Ahnen, die in ihrem Leben hier wohnten und heute öfters zu Besuch kommen. Ab und zu unterbricht das Bohren eines Handwerkers die Stille. Ein altes Haus wird mit viel Fachwissen um die Erhaltung des Alten renoviert. Inmitten der alten Häuser steht eine ovale moderne Kirche aus dem Jahr 1959, die die ursprüngliche Kirche aus dem Jahr 1739 nach einem Erdbeben ersetzt. Sie ist dem Schweizer Nationalheiligen Bruder Klaus geweiht. Er wird als Friedensstifter verehrt und hatte eindrückliche Visionen. Darüber werde ich später noch etwas schreiben. – Die Dorfbeiz „Sunnublick“ hat geöffnet. Der Wirt empfängt uns freundlich, zwei Männer sitzen von einem Hund begleitet am runden Stammtisch und geniessen fast schweigend ihr Feierabendbier. Ich frage, ob jetzt viele Feriengäste hier seien und wie weit es sei bis zur nächsten Bushaltestelle in Richtung Tal. Sie meinen, dass Albinen wäre diese Woche gut besucht, die Skipisten hätten gute Bedingungen. Das bliebe noch so bis Ostern. Und bis Tschingeren dauere es etwa eine knappe Stunde nach unten. Das sei für uns kein Problem, denn wir seien ja gut zu Fuss. So werden wir fachmännisch eingeschätzt. Also machen wir uns auf den Weg, der Hochnebel gibt die Sonne etwas frei. Es ist ausnahmsweise windstill und nicht kalt. Nachmittags weht oft der Nordwind von der Gemmi her. Der schmale steile Wanderweg führt uns in engen Kurven zum Dorf Tschingeren mit einer von einem traditionellen Schieferdach bedeckten Kapelle. Den ganzen Altar nimmt eine grosse Statue der Muttergottes mit ihrem verstorbenen Sohn ein. Diese „Pietà“ scheint wundertätig zu sein. In einer Ecke der Kapelle hängen an der Decke aus Holz gefertigte Hände und Füsse als Votivgabe, als Dank der Betroffenen für ihre Heilung. Bald finden wir die Bushaltestelle und müssen nur 10 Minuten warten. Leukerbad kommt mir nach diesem Ausflug eher im negativen Sinn mondän vor und mit seinen bunt gemischten Baustilen verschiedener Jahrzehnte und Jahrhunderte ohne organische Ortsplanung sehr disharmonisch. Natürlich schätze ich hier die Einkaufsmöglichkeiten und die Nähe der Thermalbäder sowie die Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr. Doch kann ich sehr gut diejenigen verstehen, die Albinen den Vorzug geben. Übrigens haben die Albiner*innen vor ein paar Wochen dagegen gestimmt, dass am Berghang über dem Dorf eine grosse Solaranlage gebaut wird. Die Landschaft soll in ihrer Ursprünglichkeit und Schönheit bewahrt werden. Für mehr Informationen: www.albinen.ch
www.bruderklaus.com
Foto mit Blick ins Rhonetal
und Text: Petra Dobrovolny